Auf Biegen und Brechen (Teil 1)

Freitag, 31.07.2015, 20:18:00 UTC :: Unalaska

Zwei von unserer neuen Crew sind bereits an Bord, die anderen treffen in zwei Stunden ein. Heide hat den Text gerade noch fertig stellen können. Wie wir von hier aus Rundmails loswerden sollen, wissen wir noch nicht, denn die Verbindung ist einfach zu schlecht. Vielleicht haben wir heute Nacht Glück.

Bilder dazu werden wir später einfügen.

TEIL I: Von Japan nach Alaska

Gestern trat die Crew die Heimreise an. Jetzt haben wir eine Woche Zeit, um den nächsten Törn vorzubereiten. Die neue Crew trifft wie immer einen Tag früher ein, damit sie sich noch ein wenig umschauen und eingewöhnen kann, bevor es losgeht – diesmal am 1. August.

Reparaturarbeiten…

Uns stehen noch einige Reparaturen bevor: Ein Leck im Motorkühlsystem muss gedichtet werden, ein weiteres im Watermaker und noch eines in der Wellendichtung. Crewmitglied Hilke bringt die neue UKW-Zentraleinheit mit den von Simrad programmierten amerikanischen Wetterkanälen, die eingebaut werden muss. Wir sind auf die Wetterberichte dringend angewiesen, denn das Wetter ändert sich hier sehr schnell radikal. Außerdem muss Erich die Vergaser der Außenborder neu einstellen, da die Zweitakter stottern.

Die neuen Halterungen der beiden Wassergeneratoren haben zwar gehalten, aber die kreischenden Geräusche, die immer noch auftreten, obwohl beide vom Hersteller in England überprüft wurden, werden durch die Gummipuffer nicht völlig absorbiert: Das Geräusch nervt weiterhin. Auf halber Strecke nach Attu sind die Generatoren dann ausgefallen – vermutlich ein Defekt in der Elektronik. Außerdem hat einer der beiden Windgeneratoren seinen Dienst eingestellt (Lagerschaden?). Der Ursache werden wir erst in Kodiak auf den Grund gehen und evtl. den Motor mit nach DL nehmen.

…Putzen und Einkaufen…

Dazu kommen die üblichen Reinigungsarbeiten und Provianteinkäufe. Im örtlichen Supermarkt (Safeway) bekommt man (fast) alles, aber sehr teuer wegen des langen Schiffs- bzw Luft-Transportes. Zwischen Dutch Harbor und Kodiak gibt es keine Möglichkeit einzukaufen, deshalb müssen wir für drei Wochen und 8 Leute planen. Unterwegs geht uns hoffentlich mal ein Heilbutt an die Angel, sonst müssen wir Lachs- und Heilbutt-Fischer anhauen.

Und nun zum Törnverlauf

Erich und ich hatten uns auf diesen Törn intensiv vorbereitet und es war gut, dass die beiden Japantörns voran gingen, durch sie waren wir bereits gut im Training. Und als die neue Crew in Kushiro eintraf, waren die Verproviantierung für 5 Wochen und die restlichen Arbeiten am Schiff abgeschlossen. Dadurch konnten wir noch zwei Tage mit den „Neuen“ in den Nationalpark fahren, damit sie wenigstens ein bisschen von Japan mitbekamen. Außerdem war es Ulrike aus Berlin, die ihren Flieger verpasst hatte und mit zweitägiger Verspätung an Bord eintraf, dadurch möglich, noch zuzusteigen.

Das Wetter spielt verrückt

Was das Wetter angeht, so spielte es „verrückt“ – wie so oft in den letzten vier Jahren. Statt der erwarteten Westwinde mit gelegentlichen Stürmen, hatte sich über der Beringsee ein festsitzendes Hoch entwickelt, das die Tiefs weit nach Süden abdrängte und uns zwei Wochen nordöstlichen Wind zwischen 4 und 7 Bft bescherte. Das bedeutete, Tag für Tag und Nacht für Nacht gegenanbolzen.

Kaum hatten wir Hokkaido achteraus, nahm uns der kalte Kurilenstrom (um 5°C) in seine Arme – entsprechend kalt war auch die Luft. Und weil er mit Stärken zwischen 0,5 und 1,5 Knoten aus dem Ochotskischen Meer an den Kurilen vorbei nach Süden fließt, kamen wir trotz mitlaufender Maschine nur langsam voran. Ja, wir traten quasi auf der Stelle und nach einer Woche waren wir alle ziemlich frustriert. Ein Ausbrechen nach Osten war nicht möglich, weil der Wind weiter östlich noch zunahm und Wind und Strom uns nach Südosten drückten, also weg von unserem Ziel Attu (der westlichsten Insel der Aleuten). Über unser Iridium-Handy beratschlagte Erich mehrfach mit Herrn Taxwedel von Meeno Schraders „Wetterwelt“ in Kiel, was zu tun sei, um unsere Lage zu verbessern. Er riet uns nach einer Woche zu einem Befreiungsschlag nach Norden. Und so gelangten wir nach härtester Kreuz bis zur 12 Meilen Grenze von Kamtschatkas Südspitze und begannen dann mit dem Schlag auf Steuerbordbug nach Osten. Der Vorhersage von „Wetterwelt“ entsprechend, ließ der Wind an Stärke langsam nach und drehte über Nord nach Nordwest. Nach 10 Tagen konnten wir unser Ziel anliegen und kamen schnell voran. Zwei Tage später rauschten wir raumschots und dann sogar vor dem Wind unter ausgebauter Genua mit 8-9 Knoten auf Attu zu, und am 14. Tag liefen wir dort in die Massacre Bay ein. Zurückgelegt hatten wir 1.543 Seemeilen.

Seit unserem Start hatten wir mit wenigen Unterbrechungen Nebel und auch Attu sichteten wir erst auf eine Entfernung von 500 Metern. Zu Beginn der Reise hatten wir den Blitz im Masttop eingeschaltet, aber die Birne gab ihren Geist schon nach 10 Stunden auf. Danach mussten wir uns auf das AIS verlassen und hofften, dass in der Nebelsuppe keine Fischerboote ohne AIS herumgeisterten. (Die deutsche Yacht SuAn mit Gabi und Lutz war erst vor wenigen Wochen mit einem japanischen Fischerboot zusammengestossen und liegt nun entmastet in der Bayside-Marina von Yokohama).

An der harten Kreuz war die Arbeit in der Kombüse für mich nicht nur eine Qual, sondern oft unmöglich. Wir drehten deshalb zu den Mahlzeiten bei. Alle genossen diese Ruhepausen, bevor der Ritt anschliessend weiterging.

Zu leiden hatten vor allem wir beide, da die Bolzerei in unseren Kojen im Vorschiff kaum auszuhalten war. Beide zogen wir uns einen lädierten Rücken zu. In der härtesten Phase unseres Ritts Richtung Kamtschatka zog Erich nachts ins Deckshaus und versuchte dort auf dem Backbordsofa zu schlafen, während ich in seine Unterkoje zog, in der es nicht ganz so holperig war wie in der Oberkoje.

Dass wir trotz der widrigen Umstände alle Attu in guter Verfassung erreichten, lag wohl daran, dass

  1. das Wachsystem funktionierte. Nach 4-stündiger Wache gab es 8 Stunden Freiwache – genug, um sich zu regenerieren.
  2. der automatische Steuermann unermüdlich seinen Dienst tat und die Wachgänger ganz entscheidend entlastete. Statt bei eiskaltem Gegenwind am Ruder zu stehen, konnte der Rudergänger im Cockpit im Schutz des Deckshauses sitzen und Segelstellung, Windex, Windanzeige, Geschwindigkeit und Kompass kontrollieren und nicht zuletzt Ausguck halten. Der zweite Wachgänger war innen im Deckshaus und behielt das AIS im Auge. Jede halbe Stunde wechselten die beiden einander ab.
  3. die Eberspächer Warmluft-Heizungen von Zeit zu Zeit dafür sorgten, dass die Temperaturen im Schiff erträglich blieben und Kleidung und Decken nicht klamm wurden.
  4. die Kreuzeigenschaften der Freydis mit herunter gelassenem Schwert gut waren – deutlich besser, als bei der alten Freydis; und dass unsere Neue an der Kreuz auch wesentlich trockener segelte als die Alte.

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