Ach, das könnte schön sein…

An unsere Freunde und Mitsegler,

wir schreiben heute den 30. April 2020.

Auf den Tag genau vor 30 Jahren haben wir unsere bürgerlichen Berufe beendet (Heide als Radiologin, Erich als Geschäftsführer einer Handelskette für 120 Großhändler in Deutschland und Österreich).
30 Jahre – Anlass für einen kurzen Rückblick:

Schon 12 Tage nach unserem letzten Arbeitstag waren wir auf der Freydis unterwegs zu unserem ersten Ziel, der Antarktisinsel Deception, auf deren Kratersee wir überwintern wollten. Wir fühlten wir uns „frei wie Vögel, aber auch vogelfrei“, wie Heide damals schrieb.
Woher nahmen wir den Optimismus, dass unser Vorhaben gelingen würde? Zwar hatten wir mit 48 Jahren regelmäßig in unsere Renten- und Lebensversicherungen eingezahlt, aber noch keinerlei Rücklagen gebildet. Und die Versicherungen mussten ja noch viele Jahre bedient werden, wobei ab dem 1. Mai 1990 jedes feste Einkommen entfiel und auch kein Arbeitgeber mehr die Hälfte der Prämien für Rente und Krankheit einzahlte. Die Barmer KV wollte uns nicht weiter versichern – die nächsten 12 Jahre blieben wir deshalb ohne Krankenversicherung.
Aber wir fühlten uns noch jung, wir hofften, unseren Lebensunterhalt und unsere finanziellen Verpflichtungen mit den Einnahmen aus Heides Buchtantiemen, ihren Reportagen, Erichs Foto- und Vortragshonoraren und nicht zuletzt aus den Törn-Gebühren unserer Mitsegler bestreiten zu können.
Außerdem gingen wir davon aus, dass im Falle eines Scheiterns wenigstens einer von uns beiden leicht wieder in Arbeit und Brot kommen würde, möglicherweise nicht in der Position, die wir vor unserem Ausstieg hatten, aber darauf kam es uns damals nicht an. Zugleich waren wir auch überzeugt, unser Vorhaben nicht länger aufschieben zu dürfen, weil uns zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht der Mut und die Kraft zum Aufbruch fehlen würden.

Gleich im ersten Jahr bekamen wir zwei heftige Dämpfer: Im sechsten Monat nach unserem Aufbruch zerstörte ein schwerer Brand in Mar del Plata große Teile des Interieurs der Freydis einschließlich der kompletten Elektrik und Elektronik. Und am 24. Mai 1991, ein Jahr nach unserem Start in Leer, strandeten wir in einem Orkan im Kratersee von Deception. Nach dem Brand erhielten wir bei der Beseitigung der Schäden massive Unterstützung durch unsere mitsegelnde Crew. Bei der Strandung aber waren wir ganz auf uns allein angewiesen. Während des langen antarktischen Winters reparierten wir provisorisch das mit Seewasser und Eis vollgelaufene Boot und überholten es anschließend noch sechs Monate in Puerto Williams am Beaglekanal mit Feuerlandindianern.
Zum Glück waren wir damals Kasko-versichert. Die Aachen/Münchener regulierte die Schäden – sie behielt zwar ca. DM 120.000 ein (Selbstbeteiligung, Unterversicherung etc), aber das konnten wir durch unseren persönlichen Einsatz bei der Wiederherstellung der Freydis verschmerzen. Schon ein Jahr später waren wir in der Lage, die geplante Umsegelung der Antarktis vom Kap Hoorn zum Kap Hoorn in Angriff nehmen.

Aus heutiger Sicht wurde diese Antarktisumrundung „die Reise unseres Lebens“. Heide hat sie vor ein paar Jahren in einem Beitrag für die YACHT (Heft 25/26 2015) kurz beschrieben und dabei auch begründet, warum sie das für uns beide ist und was sie uns letztlich für unser weiteres Leben an wertvollen Erfahrungen gegeben hat. Wer sich dafür interessiert, der kann den Bericht hier lesen.


30. April 2020

Wie geht es weiter?

Altersbedingt haben wir keine weitreichenden Pläne mehr – wir segeln nur noch „auf Sicht“.

Ursprünglich wollten wir die Saison im letzten Jahr (2019) in Lissabon beenden, dort die Freydis III überholen und in diesem Jahr die Reise fortsetzen bis zu den Kanaren. Nach acht Jahren hartem Einsatz und 40.000 Seemeilen haben wir uns aus praktischen Gründen dann aber doch für ihre Generalüberholung in unserem Heimathafen Leer/Ostfriesland entschieden. Im Nachhinein – wegen Corona – eine gute Entscheidung.

Die Freydis wurde also Anfang März direkt am Hafen auf dem Grundstück von Freunden aufgebockt. Dort haben wir in den letzten zwei Monaten das schöne Wetter zur Arbeit an Bord genutzt und sind nicht zuletzt durch die großartige Unterstützung von Freunden, aber auch mit der Hilfe von Handwerkern und Hilfskräften einen Riesenschritt vorangekommen. In den nächsten Tagen reisen nun Johannes Krahwinkel und Sohn, Firma KPM aus Koblenz an und bauen die überholten oder erneuerten Aggregate an der Hauptmaschine, Wellenanlage, Propeller, Lager, Gleitringdichtung, Wasserpumpe etc. wieder ein, dazu erwarten wir einen neuen Satz Segel von Lee Sails und andere neue Ausrüstung. Es gibt also noch einiges zu tun, aber wir liegen gut in der Zeit.

Noch steht unser Törnplan. Starten wollen wir am 4. Juli Richtung Kanalinseln und St. Malo. Ob das realistisch ist, wissen wir nicht. Wir haben beschlossen, noch gut einen Monat zu warten, bevor wir über Alternativen nachdenken. Laut niedersächsischem Sozialminister ist der Sportbootverkehr seit gestern wieder erlaubt – unter den üblichen Auflagen selbstverständlich. Das bedeutet: Ins Ostfriesische Wattenmeer segeln darf man schon. In Kürze werden sie wohl auch die Ostfriesischen Inseln aus der strengen Isolierung rausnehmen. Also kommen wir unserem eigentlichen Ziel langsam näher.
Vielleicht hat sich bis Ende Mai/Anfang Juni die Lage soweit entspannt – auch in unseren europäischen Nachbarländern – dass den Törns nichts mehr im Wege steht. Abwarten und Tee trinken ist die Devise. Doch wir wissen alle: Auch wenn sich die Lage entspannt, kann uns letztlich nur eine Impfung vor Ansteckung bewahren.

Zum Schluss eine für uns sehr erfreuliche Nachricht:

Am 23. März des Jahres sind wir beide zu Ehrenmitgliedern des Yacht Club Austria (mit seinen 4.500 Mitgliedern) ernannt worden. Mit seinen Crews in Oberösterreich, Wien und Salzburg haben wir seit vier Jahrzehnten engen Kontakt. Für uns ist die Ehrenmitgliedschaft eine große Auszeichnung und Ehre.

Euch wünschen wir Gesundheit und Wohlergehen und hoffen, dass Ihr in dieser Saison noch zum Segeln kommt.

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2 Antworten zu Ach, das könnte schön sein…

  1. Martin sagt:

    Liebe Heide, lieber Erich.
    … Einen tollen blog Beitrag habt ihr da WIEDER MAL geschrieben. Es ist sehr „erfrischend“ Euch zu folgen. Hoffentlich bald auch im Kielwasser…
    CU
    Sabine & Martin
    http://www.seedrachen.com

  2. Liebe Heide, lieber Erich.
    Gratulation zur Ehrenmitgliedschaft in Österreich – ich bin ja der Meinung, daß Ihr das in Deutschland auch verdienen würdet.
    Wir freuen uns sehr darauf, Euch bald im Kielwasser zu folgen…

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