FREYDIS durch Monster-Orkan XENUS beschädigt

Die FREYDIS überwintert, wie schon vor drei Jahren, im winzigen Segler-Hafen von Isafjördur im Nordwesten Islands zusammen mit knapp einem Dutzend anderen Yachten. Darunter auch die X-TRIP (eine ELAN 37) von Einhandsegler Michael Ziese aus Rostock.

Micha segelt schon die 4. Saison in isländischen Gewässern. Er war zum Glück noch an Bord, als vor vier Wochen der Monster-Orkan XENUS und ein paar Tage später in seinem Schlepptau Orkan YOGI zuschlugen. Die Yachten wurden dadurch z.T. schwer beschädigt. Bei der X-TRIP klaffte durch eine herausgerissene Klampe im Deck ein Loch von einem halben Quadratmeter, bei der FREYDIS platzten mehrere Fender, rissen 4 Reelingstützen ab, wurde das Gehäuse einer Windhutze zertrümmert, brachen die Rotorblätter eines Windgenerators und der losgerissene Großbaum beschädigte Wanten und Fallen. Anderen Yachten ging es noch schlechter, sie liefen z. T. voll Wasser und verloren Segel. Die Rettungsdienste waren permanent im Einsatz, um durch Pumpen und dem Ausbringen zusätzlicher Leinen Schlimmeres zu verhindern. Laut Hafenmeister Gudmundur Kristjánsson, einem pensionierten Kapitän, war es der schlimmste Orkan seines Lebens. Am Flugplatz wurden in Spitzen 116 Knoten Wind (Orkan beginnt bereits bei 64 Knoten Wind) gemessen. Die Kräfte, die wirken, kann man sich kaum noch vorstellen und sind für uns nur vergleichbar mit Super-Taifunen der Kategorie V, wie wir sie vor ein paar Jahren in Japan erlebt haben.

Micha hatte uns gleich benachrichtigt, aber schon vorher mit Kapitän Torfi Einarsson zusätzliche Leinen an der FREYDIS ausgebracht.

Ich bin dann gleich nach Island geflogen, mein Freund Thilo, Chief-Engineer seit 40 Jahren, hatte Unterstützung angeboten und kam mit. Wir haben dann eine Woche lang bei viel Wind, Regen, Schnee und Kälte an der FREYDIS gearbeitet und insgesamt 21 Leinen ausgebracht, große Fender gekauft, Autoreifen organisiert etc. Thilos Handrücken waren dick angeschwollen und mein Kreuz arg lädiert. Nun hoffen wir, dass unser Schiff in diesem Winter noch gut über die Runde kommt. Allerdings konnten wir nicht alle Schäden in der Kürze der Zeit beheben. 

Unser Dank gilt allen, die mir geholfen haben, natürlich ganz besonders Thilo und Michael Ziese.

Michael hatte während des Orkans nur ein paar Minuten sein Boot verlassen können, um zu filmen. Einen kleinen Eindruck bekommt Ihr auf diesem Video: https://youtu.be/bMyxvR9Ons0

Mit besten Grüßen
Heide+Erich

Fortsetzung: 5.500 Meilen auf arktischem Kurs – Teil II

Jetzt war guter Rat teuer!

Die FREYDIS pünktlich in Grönland, aber die neue Crew in Island – und keine Möglichkeit, zu uns zu fliegen, denn die Flüge der zweiten Fluggesellschaft schienen völlig ausgebucht. Was tun?

Überraschend schnell löste unser deutsches Reisebüro die Probleme mit den Rückflügen unserer Mitsegler: Noch am selben Tag reservierte sie sechs Plätze bei der zweiten Fluggesellschaft. Es war kein Direktflug, dazu umständlich und teuer, aber es war sichergestellt, dass alle rechtzeitig wieder nach Deutschland in Arbeit und Brot kamen. Vorher halfen alle kräftig mit beim Aufklaren der FREYDIS und dann waren sie schon fort. Der Einzige, der außer dem Skipper an Bord blieb, war Gundolf, da er vorhatte, auch den nächsten Törn mitzusegeln. Gemeinsam zogen wir ins benachbarte Restaurant und beratschlagten, wie es weitergehen sollte.

Ein wilder Ritt nach Island

Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet zum Berg kommen. Die Entfernung von Quaqortoc nach Reikjavik beträgt etwa 800 Meilen und wir hatten nur noch eine Woche Zeit bis zum Beginn des dritten Törns. War das zu schaffen? Den ganzen Tag ging es über Telefonate und Mails hin und her mit unseren Mitseglern auf Island und in Deutschland, und wir fragten auch WetterWelt: „Die Wetterlage scheint mit Euch zu sein“, schrieb Herr Wache, unser Meteorologe.

Gundolf und Erich in Quaqortoq: Zu zweit segeln wir nach Island, um unsere liegengebliebene Crew abzuholen

Fotos in diesem Beitrag von der Crew der FREYDIS, namentlich Gundolf Oertwig, Thomas Bruns, Erich Wilts.

Der Süden Grönlands mit dem Prins Christian Sund

So segelten wir nach nur eintägiger Pause zu zweit los, um auf Island unsere Mitsegler aufzupicken. Vor uns lagen 800 Seemeilen entlang der grönländischen Küste und über die Irmingersee. Entgegen der Prognose wurde es eine sehr raue Überfahrt: Die ersten zwei Tage verlief alles nach Plan und wir kamen gut voran.

Eisberge und Eisschollen an der Küste
Augpilatoq im Im Prins Christian Sund
Drei Fotos von Bergsteiger Michael Vogeley, der 1986 mit uns durch den PWS segelte
Wieder im Ostgrönlandstrom

Aber dann brach das Tief nicht, wie erwartet, in sich zusammen, sondern blieb einfach liegen und verstärkte sich noch: eiskalter NE-Wind blies uns mit 35 Knoten auf die Schnauze. Unter dreifach gerefftem Großsegel und gereffter Sturmfock wurde es eine äußerst ruppige Überfahrt, 670 Meilen, 4 Tage und 10 Stunden waren wir beide vom Ausgang des Prins Christian Sundes permanent an der Grenze der Belastbarkeit, jede Bewegung war eine Tortur. Und das sollte sich auch bis zum Schluss nicht ändern. Gundolf hatte sich dabei zweimal in der Kombüse langgelegt und wurde mehrfach beim Kochen an die Schrankwände geschleudert, ich hatte ebenfalls überall Prellungen und am Ende tat uns beiden jeder Muskel weh. Die neue Genua zeigte Risse am Rand der Schothorn-Verstärkung, so dass wieder die Sturmfock zum Einsatz kam. Das erste Mal in 10 Jahren mit der neuen FREYDIS, dass Brecher übers Deckshaus stiegen. Zudem war es bei den nördlichen Winden draußen saukalt. Zum Glück hielt die neue hydraulische Selbststeuerung von Raytheon, sie entlastete uns beide erheblich.

Als wir die Höhe nicht mehr halten konnten, fielen wir auf die Südwestecke Islands ab und hofften, dort unter Landschutz zu kommen vor dem nördlichen Wind. Das klappte auch. Wir nahmen Kurs auf Grindaviken, den ersten Fischereihafen an der Südküste Islands. Am nächtlichen Himmel leuchtete der Widerschein des neuen Vulkans Fagradalsfjall, der vor ein paar Monaten auf der Halbinsel Reykjanes nahe Grindaviken ausgebrochen war.

Ankunft in Grindaviken/Island: Vom Deck der FREYDIS: Der Vulkan Fagradalsfjall ist ausgebrochen

Kaum hatten wir die FREYDIS um 05:00 früh festgemacht, fielen wir todmüde in die Kojen. Bereits um 10:00 waren unsere Mitsegler zur Stelle und weckten uns: Sie hatten auf Island über Marine-Traffic unseren Kampf gegen Wind und Wellen aufmerksam verfolgt.

Am nächsten Tag, es war der 29. Juli, begann laut Törnplan der dritte Abschnitt. Wir waren also tatsächlich pünktlich zur Stelle gewesen. Nach den Strapazen der Überfahrt hätte ich allerdings sehr gerne ein paar Tage pausiert, aber es half nichts: Am Abend brachte die neue Crew bereits große Mengen Bier und weitere Lebensmittel und am nächsten Tag richtete sie sich häuslich ein. Nachmittags stand schon die Törnbesprechung an und die Frage, ob wir nun an die Ostküste Grönlands segeln oder stattdessen rund Island segeln sollten. Weil es in der vorgesehenen Zeit knapp werden konnte, zweimal über die Dänemarkstraße zu segeln, entschieden sich unsere Mitsegler einhellig für die Alternative rund Island zu segeln, und Zwischenstopps einzulegen, um Land und Leute kennenzulernen. „Die Wetterlage sieht recht gut für Euch aus“, schrieb Wetterwelt, und der Skipper meinte: „auf geht’s!

Rund Island

Als Erich 1964 das erste Mal auf der Ausbildungsyacht ORTAC des Hamburgischen Vereins Seefahrt Rund Island segelte, war die Insel im Nordmeer für Besucher noch nicht einmal ein sogenannter „Geheimtipp“. Die amtliche Statistik verzeichnete für 1950 nur rund 4.000 Besucher. Erst seit Mitte der 90er Jahre nahm der Touristenstrom jährlich in großem Maße zu: Heute sind es über 2 Millionen, Tendenz: kräftig steigend. Uns wundert, dass es so lange gedauert hat, bis die Insel ein Touristenmagnet wurde, denn die spektakuläre Landschaft mit ihren aktiven Vulkanen, Geysiren, Thermalquellen, Wasserfällen, Gletschern und Lavafeldern haben mich schon damals beeindruckt. Ich hatte mein kleines Zelt in der Vorpik mitgenommen sowie meine Campingausrüstung samt Kocher. Die leisteten mir und meinen Segelkameraden bei unseren Ausflügen auf Island gute Dienste.

Westmännerinseln: Im Hafen von Heimaey
Als wir vor zwei Jahren auf Heimaey erneut den Vulkan Eldfell bestiegen, den wir schon 33 Jahre zuvor erklommen hatten, begegneten wir zufällig auf dem Gipfel unserem Bundespräsidenten und seiner Gemahlin, die zum Staatsbesuch auf Island weilten und einen Abstecher nach Heimaey unternommen hatten.
Papageientaucher auf Heimaey
„Mir wird schwindelig“
Mit achterlichen Winden zum Zielhafen Isafjördur

Mit der neuen Crew sind die Westmännerinseln, eine Inselgruppe vulkanischen Ursprungs südlich der isländischen Küste, unser erstes Ziel. Auf dem Weg zur Hauptinsel Heimaey mit ihrem geschützten Hafen kommen wir an der Vulkaninsel Surtsey vorbei. Sie entstand 1963, vor 58 Jahren, aus dem Meer. Ihren Namen bekam sie nach dem Feuerriesen Surt der nordischen Mythologie. Damals war ich als Student in Hamburg jüngstes Crewmitglied auf der Yacht ORTAC des Hamburgischen Vereins Seefahrt. Der Ausbruch des Surtsey elektrisierte Skipper und Crew und wir beschlossen, diese Ausgeburt der Hölle im Jahr darauf mit unserer Yacht anzulaufen. Diese neue Insel und die anschließende Umrundung Islands wurden unser großes Ziel, damals ein sehr wagemutiger Entschluss, schließlich verfügte die 14 Meter lange ORTAC über keine Maschine, Elektrik und Elektronik (mit Ausnahme des batteriebetriebenen Grenzwellenempfängers, mit dem wir den Wetterbericht von Norddeich-Radio und Consolfunk in der Nordsee empfangen konnten. Das Vorhaben gelang. Wir besuchten Heimaey und bestiegen die hochaktive, neue Vulkaninsel Surtsey. Mein damaliger Skipper erhielt für diese Reise eine hohe Auszeichnung, und ich war stolz, als jüngstes Crewmitglied und Bordfotograf dabei gewesen zu sein. Für mich war diese Reise ein Schlüssel-Erlebnis, ein Ansporn für viele weitere Reisen in die Hohen Breiten.

Von Heimaey aus sehen wir die neue Vulkaninsel. Unser Entschluss steht fest: Nichts wie hin!
1964: Mit einem Segelboot ohne Maschine und Elektrik rund Island. Wir ankern mit der ORTAC (des Hamb. Vereins Seefahrt) an der kurz vorher entstandenen Vulkaninsel SURTSEY und besteigen sie.
1964: Die glühende Lava schwappt wie in einer riesigen Suppenschüssel wildbewegt hin und her, es klingt wie Meeresbrandung.
Ganz schön gewagt: Hitzewellen dringen aus dem Kratersee in mein Gesicht.

Ein Jahr später, 1965, wurde Surtsey zum Naturschutzgebiet erklärt. Nur noch Wissenschaftler dürfen die Insel betreten, um die Entwicklung des Lebens auf ihr zu studieren. Seit 2008 gehört die Insel zum Welt-Naturerbe der Menschheit.

In den Jahren darauf hat uns beide Island immer wieder magisch angezogen: Mit der FREYDIS I 1977, mit der FREYDIS II 1986 und 1988, mit der FREYDIS III vor zwei Jahren, 2019, als wir auf der Heimreise von Alaska durch die Nordwestpassage und Grönland nach Deutschland waren. Hier auf Heimaey trafen wir 2019 Gisli Matthias Sigmarsson, Fischdampfer-Kapitän in Ruhestand.

Sein inzwischen verstorbener Bruder Oskar hatte vor 55 !! Jahren mit seiner LEO die motorlose ORTAC des Hamburgischen Vereins Seefahrt auf den Haken genommen und aus der berüchtigten Medallabucht, in die wir uns wegen Nebels vernavigiert hatten, nach Heimaey geschleppt. Dort waren wir ein paar Tage seine Gäste. Ein Jahr später war er mit seinem Fischkutter sogar zum Gegenbesuch nach Hamburg gekommen.

Noch eine Begegnung der besonderen Art: Als wir vor zwei Jahren auf Heimaey erneut den Vulkan Eldfell bestiegen, den wir schon 33 Jahre zuvor erklommen hatten, begegneten wir zufällig auf dem Gipfel unserem Bundespräsidenten und seiner Gemahlin, die zum Staatsbesuch auf Island weilten und einen Abstecher nach Heimaey unternommen hatten. In dieser ungewöhnlichen Umgebung haben wir uns angeregt unterhalten: Dabei hat uns Herr Steinmeier von der Zeit erzählt, in der er Leiter des persönlichen Büros von Ministerpräsident Gerhard Schröder in Hannover und auch für Leer/ Ostfriesland tätig war, wo wir damals noch lebten und arbeiteten.

Nun also waren wir wieder auf Heimaey. Der Hafenmeister erkannte uns sofort, von ihm erfuhren wir auch, dass unser Freund Gisli leider vor einem Jahr verstorben war.

Weitere Stops legten wir auf Höfn an der Ostküste Islands ein und besuchten von dort aus den Gletscher des Vatnajökull – größter Gletscher Europas; an der Nordküste nahmen wir uns von der Hafenstadt Husavik aus viel Zeit für die aufregende Vulkanlandschaft am Myvatn (Mückensee) und den größten Wasserfall Europas, den Dettifoss.

An der Insel Grimsey im äußersten Norden Islands sind wir schon einige Male in unserem Leben vorbeigesegelt; diesmal war die Wetterlage so günstig, dass wir sie anlaufen konnten. Eine zwei Meter große Kugel markiert den Polarkreis (66°33′), auf dem die Insel liegt. Weil der Polarkreis nach Norden wandert, muss sie jedes Jahr etwas dichter ans Meer gerollt werden, und in nicht allzu ferner Zeit wird sie darin landen.

In der Laguna des Vatnajökull
Ansteuerung von Grimsey im Nebel, ein Kreuzfahrtschiff vor Anker
FREYDIS im Hafen der kleinen Insel Grimsey
Begrüßungsgeschenk eine Pütz Kabeljau
Die Kugel markiert den Polarkreis
Die Crew auf dem Polarkreis
Dieses Foto im heißen Wasser einer Erdspalte am Myvatn machte der Skipper 1964 auf seiner ersten Islandumrundung; Crewmitglied Purzel im Vordergrund
Die selbe Erdspalte im Jahr 2021 – das Wasser ist inzwischen zu heiß für ein Bad
Godafoss: Einer der vielen beeindruckenden Wasserfälle auf Island

Die wenigen Menschen, die hier leben, sind sehr gastfreundlich. Ein Fischer schenkte uns einige kapitale Kabeljaus, und der Wirt der kleinen Kneipe wurde schnell unser Freund und besucht uns mit seiner kleinen Tochter an Bord. Und doch hätte unsere Reise hier um ein Haar ein jähes Ende gefunden: Denn kaum haben wir den kleinen Hafen Richtung Isafjördur verlassen, erfahren wir, dass die ganze Insel und alle Bewohner unter Quarantäne gestellt wurden, da unser Freund, der Wirt, sich den Virus eingefangen hatte. Da haben wir noch einmal Glück gehabt!

In Isafjördur endet dieser Reise-Abschnitt mit einer Crew, die auffiel durch einen besonders rücksichtsvollen Umgang miteinander und mit dem Schiff – und durch seine Spitzenköche.

Fortsetzung nächste Woche in Teil III

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